Bornholmer Flucht by Katharina Peters

Bornholmer Flucht by Katharina Peters

Autor:Katharina Peters
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Aufbau digital
veröffentlicht: 2022-02-17T14:10:37.901000+00:00


16

Ein erster kleiner Herbststurm war in der Nacht über die Insel hinweggefegt, nun stand die Sonne an einem blank geputzten Himmel, die See war aufgewühlt. Sarah war früh in die Dienststelle gefahren. Am Vortag hatte sie zusammen mit einem Kollegen einen Diebstahl aufgenommen. Die Arbeit war vergleichsweise eintönig, aber die damit verbundene Ablenkung tat ihr gut. Die Neuigkeiten aus Berlin wirkten dagegen wie Nachrichten aus einer anderen Welt – zumindest für Momente. Wenn sie an den Eindringling zurückdachte und ihren eiligen Umzug ins Blockhaus wurde ihr in Sekundenbruchteilen glasklar, dass es keine andere Welt gab, nur diese eine, in der die Bedrohung allumfassend war.

Bentsen flog am späten Mittag zu einer Besprechung nach Kopenhagen. Sarah wusste, dass er die Kollegen von der Streifenpolizei angewiesen hatte, ein besonderes Auge auf sie zu haben – regelmäßig kurvten Kollegen durch Hasle und überprüften auch ihre Dienstwohnung. Dass sich noch einmal jemand blicken lassen würde, war unwahrscheinlich, aber nicht auszuschließen. Doch letzten Endes ging es wohl darum, Sarah ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln.

Das Wochenende stand vor der Tür. Sie erledigte einen Einkauf und füllte den Kühlschrank im Blockhaus auf. Die Waschmaschine lief, im Radio wurde ein fröhlicher Popsong gespielt. Sarahs Handy klingelte, als sie die erste Ladung Wäsche aufgehängt hatte. Sie stellte die Verbindung her. »Frau Pirohl?«, meldete sich eine weibliche Stimme.

»Wer spricht da?«, entgegnete Sarah spröde.

»Ich bin Mitarbeiterin in der Seniorenresidenz, in der Ihre Großmutter lebt.«

Sarahs Atem stockte. Ein eisiges Gefühl durchströmte sie. »Was ist passiert?«

»Es ist nichts Gravierendes geschehen, keine Sorge, doch der gesundheitliche Zustand Ihrer Großmutter ist zurzeit nicht so gut. Sie hat sich eine schwere Bronchitis eingefangen und …«

»Würden Sie mir Ihren Namen sagen?«

»Natürlich – Maritta Blohm, ich bin die zuständige Krankenschwester Ihrer Großmutter.«

»Nehmen Sie es mir nicht übel, Frau Blohm, aber ich würde mich gerne vergewissern, mit wem ich spreche.«

»Wie darf ich das verstehen? Warum …«

Sarah legte mit fliegendem Puls auf und wählte die Nummer der Senioreneinrichtung in Potsdam, ihre Hände zitterten. Nach einem Schlaganfall vor etlichen Jahren lebte ihre Großmutter in einer betreuten Einrichtung. Ihr eigener Sohn hatte nicht gezögert, sie im Laufe der Ermittlungen unter Druck zu setzen, und es war Frederik gewesen, der ihm seinerzeit eine Falle gestellt hatte, fuhr es Sarah durch den Kopf. Es klingelte viermal, bis die Verbindung hergestellt wurde. Der Empfang bestätigte ihr, dass eine Krankenschwester mit diesem Namen in der Einrichtung arbeitete und ihre Großmutter betreute; Sekunden später war sie erneut mit der Frau verbunden. Sarah räusperte sich. »Es tut mir leid, Schwester. Ich bin zurzeit ziemlich angespannt und … Es ist nichts Persönliches.«

»Also, dann auf ein Neues, Frau Pirohl – Ihrer Großmutter geht es nicht ganz so gut. Wir hatten mal mit Ihnen vereinbart, dass wir uns unter solchen oder ähnlichen Umständen bei Ihnen melden.«

»Ja, ich weiß.«

»Es wäre schön, wenn Sie sie bald besuchen könnten. Sie vermisst Sie. Das war eigentlich schon alles.«

Sarah blickte einen Moment ins Leere. Die Waschmaschine startete in den Schleudergang. Eine späte Nachmittagssonne schien zum Fenster hinein. »Ich werde mir so schnell wie möglich freinehmen«, sagte sie schließlich.



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